Kaum eine Branche ist so sehr auf Glaubwürdigkeit angewiesen wie die Lebensmittelindustrie. Hierbei handelt es sich um Waren, die – bei minderwertiger Qualität oder Sicherheit – direkt oder indirekt unserer Gesundheit schaden können. Demgegenüber ist die Informationsasymmetrie zwischen Hersteller und Verbraucher so groß bzw. der Weg von der Herstellung bis hin zur Lieferung in den Markt so unübersichtlich geworden, dass der Aspekt der Vertrauensbildung und Authentizität immer wichtiger wird.
Vor diesem Hintergrund geraten große Konzerne und Industriebetriebe immer mehr ins Hintertreffen und kleinere Erzeuger aus der Region haben hier die große Chance, Konsumenten für sich zu gewinnen. Denn diese besitzen einen wichtigen und nicht zu unterschätzenden Vorteil: durch ihre räumliche Nähe zum Kunden können sie ihre Fertigungsprozesse nachvollziehbar dokumentieren und gegebenenfalls durch unabhängige Kontrollinstitute absichern lassen. Als Beispiele sind hier alteingesessene Hofläden, Bäckereien oder Fleischereien vor Ort zu nennen, welche ihre Produkte nach bewährter Handwerkstradition herstellen. Dabei gilt: je transparenter, detaillierter und ehrlicher die Kommunikation zu den Kunden, Lieferanten sowie zur allgemeinen Öffentlichkeit gehalten wird, desto erfolgreicher wird diese Vermarktungsstrategie auf Dauer sein.
Negative Schlagzeilen in der Vergangenheit haben gezeigt, wie sehr ein unehrliches bzw. nicht authentisches Marketing dem Ruf eines Unternehmens schaden kann. Hierzu nehme ich ein Praxisbeispiel aus einer anderen Branche: Versicherungen. Sie stellen einen wichtigen Baustein unserer gesundheitlichen, rechtlichen und finanziellen Absicherung dar und sind ebenso wie Lebensmittelproduzenten auf unser Vertrauen angewiesen. In den vergangenen Monaten hat die Ergo Versicherungsgesellschaft in der Presse allerdings mehr mit Lustreisen als mit seriöser Arbeit auf sich aufmerksam gemacht. Hinzu kommen Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft laut Handelsblatt gegen Mitarbeiter von ERGO wegen fehlerhafter Abrechnungen von Riester-Renten.
Dem versucht der international tätige Versicherungskonzern mit einer sogenannten Transparenzoffensive entgegenzutreten, indem er eine Auflistung der bisherigen Fehltritte seiner Mitarbeiter veröffentlicht. Diese Maßnahme ist meiner Ansicht nach sehr zu begrüßen, dürfte allerdings nicht mehr den Schaden komplett ausmerzen, den die Skandale in jüngster Zeit angerichtet haben. Da hilft auch der eigene Slogan „Versichern heißt verstehen“ nicht mehr viel.