Immer mehr Experten und Fachkräfte proklamieren die Vorzüge flacher Hierarchien in Unternehmen. Dies hat verschiedene Vorteile und soll laut Steinmann und Löhr sogar unethischen Verhaltensweisen vorbeugen. Wie ist das genau zu verstehen?
Die beiden Wissenschaftler beschreiben in ihrem Buch „Grundlagen der Un- ternehmensethik“ aus dem Jahr 1994 eine Reihe von Kriterien, die unmoralische bzw. unethische Handlungen in der Wirtschaft fördern. Dabei berufen sie sich auf verschiedene Forschungsergebnisse. In unserer Zeit, in denen Schlagwörter wie „unternehmerische Verantwortung“ sowie „soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit“ Bestandteil nahezu jeder Unternehmenspolitik sind, gewinnen diese Erkenntnisse immer mehr an Brisanz.
Doch was verstehen Steinmann und Löhr unter strukturellen Ursachen unethischen Verhaltens in Unternehmen im Detail?
Sie betreffen zum Einen die Organisationsstruktur, welche sich in hemmender oder fördernder Weise auf das ethische Verhalten der Mitarbeiter in einem Unternehmen auswirken kann.
Ein Beispiel hierfür ist der Grad der horizontalen Arbeitsteiligkeit, welcher in einem Unternehmen besteht. Je kleiner der Aufgabenbereich und der damit verbundene Verantwortungsgrad, desto seltener wird ein Mitarbeiter dazu angeregt, seine Tätigkeiten von einem ethischen Standpunkt aus zu reflektieren. Dies können wir unter anderem auf das sogenannte Ressortdenken zurückführen; selbst wenn wir unethische Verhaltensweisen im Unternehmen erkennen, werden wir diese nicht beanstanden, da sie nicht zu unserem Aufgabengebiet und zu unserem Verantwortungsbereich gehören.
Außerdem kann die sogenannte Expertenmacht negative Auswirkungen auf unser ethisches Verhalten haben. Diese tritt auf, sobald die fachliche Expertise und die Entscheidungskompetenz von zwei verschiedenen Personen getragen werden. Dabei ist sich ein Experte gegebenenfalls nicht bewusst, welche Auswirkungen seine fachliche Beratung hat. So können seine wissenschaftliche Erkenntnisse zu Zwecken verwendet werden, welche ihm in der damit verbundenen Tragweite nicht bekannt sind. Anders herum ist dem Entscheidungsträger nicht immer bewusst, welche Konsequenzen seine Entscheidungen haben, da ihm die fachliche Expertise fehlt.
Ein weiteres Beispiel für eine strukturelle Ursache unethischen Verhaltens ist die Befehlshierarchie. Je stärker diese in einem Unternehmen verankert ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass ein Mitarbeiter die Verletzung ethischer Richtlinien und Maßstäbe an den nächsten Vorgesetzten meldet. Dies liegt daran, dass sich der Mitarbeiter wie ein „kleines Rädchen im Getriebe“ betrachtet und der Ansicht ist, seine Auskunft habe sowieso keinen Einfluss auf den weiteren Verlauf. Die Kirche, das Militär oder Krankenhäuser sind Paradebeispiele für überwiegend stark hierarchisch organisiert Unternehmungen. Dies hat natürlich auch seine Vorteile, und zwar effektive und damit schnellere Entscheidungsprozesse. Auf der anderen Seite sollten die damit verbundenen Gefahren des Amtsmissbrauchs thematisiert und nicht unterschätzt werden.